Vorweihnachtszeit, globalisiert

Auf der Rückfahrt vom Mekong-Delta nach Saigon sitzen wir in einem viel zu heißen Bus. Als ich die Augen schließe, spulen sich Bilder der vergangen 24 Stunden ab: der breite Mekong auf dem reger Schiffsverkehr herrscht, ein schwimmender Markt, Großhändler, die Süßkartoffeln, Ananas, Kokosnüsse, Bananen, anbieten; Einzelhändler docken an, kleine Versorgungsboote machen mit einer Art Enterhaken fest,  Verkäufer rufen: „Nudelsuppe, Kaffee, Coca Cola“.

Ein Schwenk zu einem Markt am Ufer: ich bestaune die Pyramide aus braunen lebenden Fröschen, die Hühnerfüße, Fische und Krabben, die ungekühlt in der Hitze liegen. Einem Mopedfahrer, der sich durch die Gassen der Stände schlängelt, kann ich gerade noch ausweichen.

Das Restaurant am Fluss gestern Abend, der Blick auf die vorbeiziehenden Dschunken, das Hotelschiff, das gerade ablegt, die vollgestopfte Fähre, die kreuzt, ohne jemals die Bugklappe zu schließen. Und der Vollmond…

Laute Radiomusik schreckt mich aus meinen Bildern. “Jingle Bells“ beschallt den Bus, abgelöst von einem amerikanischen Weihnachtspotpourri. Warum lassen sich Ohren nicht verschließen?! Mein Blick geht nach draußen. Inzwischen schiebt sich unser Bus durch das Verkehrsgetümmel Saigons. Mopeds und Roller überschwemmen jede Straße, jede Kreuzung, jeden Kreisverkehr, selbst die Gehsteige. Plötzlich entdecke ich Plastikweihnachtsmänner an einem Einkaufszentrum. Auf irgendeine Weise haben die USA doch den Vietnamkrieg gewonnen haben.

Abends im Park  erneut „Jingle Bells“, noch lauter, noch schneller, dröhnt es aus Lautsprechern, die der Aerobic Gruppe mit einer Rock-Fassung des Weihnachtslieds einheizen. Sport, Schweiß und Glöckchen! Nicht nur die Hitze hält mich ab, mitzuturnen.

Als wir zwei Tage später morgens um 7 Uhr den Münchener Flughafen Richtung S-Bahn verlassen, reibe ich mir die Augen. Übermüdet vom 12-stündigen Nachtflug, damit beschäftigt den Temperaturunterschied von 25 Grad zu bewältigen, muss ich mich zurecht finden: beim Abflug war der Platz leer, jetzt besetzt ihn ein Weihnachtsmarkt; Weihnachtsbäume mit allzu großen roten Kugeln, überdimensionierten goldenen Schleifen, Schnee aus der Dose, Buden, die auf oberbayerisch machen. Und höre ich recht oder bilde ich es mir nur ein? An meinen Ohren zerrt „Jingle Bells“.

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