Bin ich eine Närrin, dass ich die Wurzeln raunen höre?
Wurzelgeflüster, das erlauscht werden kann, wenn die Stille nicht nur außen
Raum greift.
Die Wurzeln der Bäume und der anderen Pflanzen wispern:
„Aufwachen!“ Stimmt, der Frühling kommt, genau heute ist Frühlingsbeginn. Wie
wissen die Wurzeln unten, dass oben die Sonne scheint? Interessiert sie die
Tag- und Nachtgleiche oder eher Wärme, die allmählich in den Boden dringt und
der Austausch?
Ja, Austausch. Kommunikation! Das Wurzelgeflüster mit denen
der eigenen Ahnen und dem lautlosen Gewisper des kollektiven Erbes erfüllt mein
ganzes Leben. Lange habe ich davon nichts bemerkt, aber in den zurückliegenden
50 Jahren durfte ich mehr und mehr davon ans Licht holen und die Krone meines
Lebensbaums weiten. Anreichern mit dem, was ich aus dem Schatten hob.
Krone, das lateinische Wort ist Corona. Das neue Virus,
Covid 19, trägt diesen Namen, versetzt uns in Angst und Schrecken. Wenn ich mir
die Makroaufnahmen des Corona Virus vorstelle, bin ich beeindruckt von dessen
Schönheit. Wie merkwürdig!
Könnte uns die Pandemie, die schon so vielen Menschen den
Tod gebracht hat und gegen die noch mehr Menschen verzweifelt kämpfen,
irgendetwas lehren?
Mich lehrt sie derzeit Demut – von wegen „Krone der Schöpfung“!
Demut nicht als mich klein machen, sondern als Gegenteil von
Hochmut: Respekt vor dem Leben jedes einzelnen Menschen: die Kassiererin im
Supermarkt, der Krankenpfleger, die Ärztinnen, die Politiker, die Müllmänner,
die Lastwagenfahrer, die uns mit allem versorgen und in Italien die Särge in
die Krematorien fahren müssen, die Polizisten, die sich vor Ort um unsere
Sicherheit bemühen, die Wissenschaftler und die Hilfskräfte in den Laboren, die
Zeitungsträgerinnen und alle Redakteure, die uns weiterhin in den Medien mit
verlässlichen Berichten versorgen, der
Wohlstand unseres Landes, der auch zu einem gut ausgebauten Gesundheitssystem
und zur Blüte der Kunst mit beigetragen hat. Dazu eine Verbeugung vor all den
Menschen, die an ihren Leistungsgrenzen sind und denen, die sich bemühen, die
Zuversicht aufrecht zu erhalten.
All das wird in die Wurzeln absinken, wird ins kollektive
Erbe übergehen und auch meine Nachfahren, die Enkel und Urenkel mit
Wurzelgeflüster versorgen.
Sorgen wir dafür, dass nicht nur der Schrecken weiter
gegeben wird, sondern auch das Vertrauen!