Das Fürther Stadttheater hat die Auswahl getroffen: am 23.1.15 lasen die Autoren, die als die bestern ausgewählt wurden, ihre Texte im Nachtschwärmerfoyer des Theaters vor. Ich freue mich sehr, dass ich mit meinem Beitrag (zum zweiten Mal in Folge) dabei sein durfte:
Menschheit Anfang 2015
in meiner großen Familie
leben sieben Milliarden Menschen
große kleine dicke dünne
junge alte neugeborene sterbende
Kinder barfuß zur Schule
auf Müllbergen in Fabriken
als Soldaten und Prostituierte unterwegs
in meiner Menschheitsfamilie
wohnen sie alle
die dunkelhäutigen die hellhäutigen
die gutaussehenden die entstellten
in Palästen Hütten Lofts Reihenhäusern
in Käfigen auf Booten in Höhlen
Zelten Slums Favelas in
Ruinen und auf der Flucht
der Armut den Bomben und dem blauen Grab
versuchen zu entkommen
mit dem Rest an Kraft Geld Hoffnung
viele wissen nicht wie behindert
wir Reichen sind
kaltgesotten angstbesessen
besitzgesteuert taubgesättigt
in meiner großen Familie
mit ihrer Vielfalt an Religionen
Begabungen Möglichkeiten Kulturen
sitzen wir an langen Tafeln
die sich biegen vor Speisen
wir sitzen auf der Erde
kauen wo nichts ist
wir sprechen unzählige Sprachen
sogar die des Herzens
aber auch die der Gier
wir spitzen die Schere zu
driften auseinander
enger verbunden denn je
wir Mütter Väter Kinder
Großväter Großmütter
gleichgeschlechtliche Partner
Einsame und Partygänger
die meisten meiner gigantischen Familie
kenne ich nicht viele will ich nicht kennen
die Mörder Terroristen Fanatiker
Fundamentalisten Mafiosi Kinderausbeuter
die Machtgierigen Geldbesessenen nicht
hinschauen nicht hinschauen
all die Gräuel meiner
Brüder Schwestern nicht sehen
ich kenne sie nicht
ich erkenne sie alle
am Lachen ihrer Münder
am Weinen ihrer Körper
am Singen Tanzen Dichten Erzählen Malen
erkenne ich sie
an der Panik in weitaufgerissenen Augen
an ihren Regenbogenfahnen
am Sorgen für Säuglinge Kranke Alte
am Staunen Beten Debattieren
ach ihr
meine arme reiche Familie