Muttertagsbriefe

 

Ich bin sicher, dass meine erwachsenen Kinder den Blog nicht lesen. Frei kann ich also schreiben, was ich mir von ihnen wünsche und den Wunsch dann loslassen. Ein Luftballon, der aufsteigt, eine Seifenblase, die schillernd vom Wind weggetragen wird.

 

Bei uns wird der Muttertag nicht gefeiert. Von Anfang an habe ich beschlossen, diesen Tag zu ignorieren, der in Konsumterror und Verpflichtung ausgeartet ist. Ich hasste diesen Tag auch als Tochter, obwohl ich meine Mutter geliebt habe. Es war wohl der Zwang, mich einreihen zu sollen in die verordnete „ich-hab-dich-doch-so-lieb“-Haltung! Gerne habe ich meiner Mutter etwas geschenkt, wir beide lieb(t)en Blumen, gerne habe ich mich bedankt, aber nicht zum Muttertag, da war es mir Qual. Trotzdem habe ich das Spiel mitgespielt, um sie nicht zu verletzen. Meinen Kindern habe ich diese Verbiegungen nicht zumuten wollen. Deshalb habe ich propagiert, diesen Tag nicht nötig zu haben, bei uns sei jeden Tag Muttertag. Ich will nicht nur einmal im Jahr wahrgenommen werden.

Manchmal habe ich meinen Entschluss bereut. Eine Kollegin, die mir vor kurzem erzählte, sie macht mit anderen Frauen immer einen besonderen Ausflug – natürlich ohne Kinder! Oder die Bekannte, die von den Mandelsplittern schwärmte, die ihre jetzt 27-jährige Tochter ihr jedes Jahr selbst herstelle. Solche Aktionen hat mein kategorisches Nein also auch verhindert. Späte Erkenntnisse einer jung – Großmutter!

Jedenfalls habe ich einmal mehr bemerkt, dass ich durchaus neidisch – im Sinne von „auch haben möchte“ dorthin schiele, was ich womöglich hätte haben können…

 

Mein neuster Wunsch: meine Kinder könnten mir, jedes auf seine / ihre Weise, einen Brief darüber schreiben, was ich ihnen muttertagsmäßig erspart habe!

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